Letzte Woche haben wir uns mit dem achtsamen Atem beschäftigt. Ich hoffe, du konntest schon ein paar gute Erfahrungen sammeln. Heute gehen wir einen Schritt weiter.
Wenn mein Tag sehr gefüllt war kann es passieren, dass ich nach hause komme und nicht bemerke, dass meine Frau beim Frisör war oder sich besonders schick gemacht hat. Wenn wir dann zusammen Abend gegessen haben und ich ohne einen Kommentar über ihr äußeres mich an den Computer setze, dann war ich nicht achtsam. Es kann sein, dass ich das dann auch durch ein beleidigtes Nicht-Beachten ihrerseits zu spüren bekomme.
Dabei haben wir uns beide auf der Hochzeit versprochen, einander zu lieben, zu achten und zu ehren. Denn ohne dass man einander achtet und Beachtung schenkt, ist keine Liebe möglich.
Wenn ich über Achtsamkeit rede, denken viele Menschen zuerst an eine buddhistische Spiritualität. Oder auch an verschiedene psychotherapeutische Ansätze.
Inhaltsverzeichnis
Wenn Achtsamkeit ein Ausdruck der Liebe ist, dann bezieht sich die Achtsamkeit immer auf ein Gegenüber. Liebe ist immer Beziehung. Man liebt nicht nur einfach.
Genau so wie ich nicht nur einfach sehe, sondern ich sehe immer etwas an. Es wäre nicht sinnvoll, wenn meine Augen einfach offen wären. Ohne eine Offenheit für etwas, wäre ich mit offenen Augen blind.
Deshalb ist Achtsamkeit im christlichen Kontext nicht nur eine Haltung, sondern bezeichnet die Qualität meiner Beziehungen.
Wenn ich die Evangelien lese, dann lerne ich von Jesus eine Achtsamkeit oder Offenheit gegenüber Gott und jedem Menschen, dem er begegnete.
Kein Mensch war für Jesus ein „Fall“. Er sah jeden Menschen, wie er war. Deshalb waren die Begegnungen mit Jesus voller Würde und Wertschätzung.
Heute möchte ich dir deshalb als weitere Achtsamkeitsübung das achtsame Zuhören mitgeben. In der Art, wie wir zuhören wird am deutlichsten, ob wir eine achtsame Lebenshaltung praktizieren, oder oberflächig unser Ego ausleben.
Auch bei dieser Übung braucht es keine zusätzliche Zeit oder Anstrengung. Allein die innere Aufmerksamkeit macht den entscheidenden Unterschied aus.
Du kannst es sicher schon in den nächsten Minuten umsetzen.
Wenn du aufmerksam einigen Gesprächen zwischen zwei Menschen zuhörst, wirst du oft feststellen, dass es selten Dialoge sind, sondern wechselseitige Monologe – in Anwesenheit anderer. Während der eine spricht wartet man nur auf ein Stichwort, um seinen eigenen Gesprächsbeitrag einzubringen. Oft merkt man schon am Gesichtsausdruck des anderen dessen Abwesenheit.
Jeder kennt zum Glück auch Situationen, wo ein anderer tatsächlich zuhört und sich wirklich interessiert für den anderen. Wie wohltuend, wie bereichernd für beide Seiten – aber auch wie selten.
Hier nun 4 konkrete Hilfen, wie du anderen Menschen zuhören kannst, dabei Achtsamkeit übst – und dadurch in der Liebe wächst.
Mache am Anfang einen langsamen und bewussten Atemzug. Dieser soll dich daran erinnern, dass du dich jetzt ganz auf dein Gegenüber einstellst.
Menschen, die durch ihre innere Unsicherheit immer Recht behalten wollen, haben mit dieser Grundhaltung große Mühe. Sie erleben das Miteinandersprechen dann nicht als eine Gelegenheit, etwas Neues zu erfahren, sondern fühlen sich schnell dominiert. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie das Hören mit Gehorchen verbinden. Hören – horchen – gehorchen….
„Also, das sehe ich ganz anders“ – so hört man es dann oft. Mit dieser Grundhaltung gerät ein Gespräch schnell in einen Kampf um´s angebliche „Recht.“
Wenn es dir schwer fällt, deine Meinung zurückzuhalten, könnte dir folgende Formulierung helfen:
„Ich bin zwar anderer Meinung aber mich interessiert, wie du zu deinem Standpunkt über … gekommen bist.“
Eine weitere Hilfe ist die Erkenntnis, dass wir im Gespräch mit einem anderen Menschen der Welt des anderen begegnen. Genauer gesagt: wir begegnen seiner Landkarte von der Welt, das er sich zu einem bestimmten Thema gemacht hat. Dies ist aber nur die Landkarte über ein Stück Welt, nicht aber die Wirklichkeit an sich.
Wenn mir das nicht bewusst ist, verteidigen wir unsere persönliche Landkarte mit passenden Argumenten, teilweise mit heftigen Gefühlen oder Wertungen wie „Richtig“ und „Falsch“, oder „Gut“ und „Schlecht“.
Wenn ich mich mit meiner eigenen Landkarte stark identifiziere wird es mir schwer fallen, einem Menschen mit einer anderen Landkarte zuzuhören, geschweige denn, sich dafür zu interessieren, wie dieser – vermutlich auch intelligente Mensch – zu einer ganz anderen Landkarte gekommen ist. Doch das erfordert eine ziemliche Reife oder auch Demut. Denn ich brauche die Einsicht, dass auch meine Sichtweise sehr beschränkt ist.
Für das wirkliche Zuhören ist das aber entscheidend. Nimm auf dieser Grundlage doch einmal deine eigene Gesprächskultur wahr und übe dich hier in der Achtsamkeit.
Viele Gespräche ähneln Wettkämpfen. Wer hat die besseren Argumente, wer kann den anderen übertrumpfen? Das geschieht oft, indem man den anderen unterbricht. Manchmal ist das notwendig und kann belebend wirken, aber oft leiden unter der Hitze des Gefechts der Gesprächsinhalt und die Gesprächsatmosphäre.
Damit sich ein Gespräch entwickeln kann – und nicht nur eine Bestätigung meiner Meinung wird – braucht es Zeit und Raum. Es braucht Pausen, in denen beide das Gesagte und Gehörte verdauen und nachklingen lassen können. Diese Pausen kann der Sprecher nur dann machen, wenn ihm der andere diese Pause auch lässt. Je weniger man den anderen unterbricht, umso tiefer und wertvoller kann ein Gespräch werden.
Die Gefühle des anderen wie auch die eigenen Empfindungen während eines Gesprächs sind genau so wichtig wie die sachlichen Aspekte. Wenn ich achtsam zuhöre, kann ich den Klang der Worte und ihre Bedeutung tiefer aufnehmen, besonders, wenn ich sie so wenig wie möglich werte. Diese angemessen anzusprechen, ist oft hilfreich und für das Gespräch vertiefend. Was geschieht in Deinem Körper, während Du zuhörst? Zieht er sich zusammen oder entspannt er sich? Welche Gefühle nimmst Du bei Dir wahr?
Vielleicht gibt es einen passenden Moment, wo du die wahrgenommenen Gefühle ansprichst. Z.B:
„Deine Stimme klingt gedrückt, wenn du darüber sprichst. Ist das für dein ein belastendes Thema?“
„Du siehst ganz nachdenklich aus“
„Du wirst ganz aufgeregt, wenn du davon erzählst“
Das Wahrnehmen und Einbringen unserer Gefühle in ein Gespräch vertieft unsere Beziehungen…
Konntest du bereits ein paar gute Erfahrungen mit der Achtsamkeit machen, so hinterlasse doch einen Kommentar hier unten. Wir sind gespannt!
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Durch achtsames Zuhören in der Liebe wachsen
Dauer: 5:41 min.
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