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Die meisten von uns kennen solche Phasen.
Niemand ist immer „gut drauf“, depressive Verstimmungen sitzen jedoch viel tiefer: Freude und Antriebskraft sind verloren gegangen. Alles Denken, Entscheiden, Lernen und Erinnern fällt unendlich schwer. Aber wann ist es „nur“ Traurigkeit, und wann ist das Normale, Unvermeidbare in eine ernste Erkrankung gekippt, die unsere mentale und körperliche Gesundheit langfristig bedroht?
Wann können wir einfach warten, bis die Zeit die Wunde heilt, und wann brauchen wir Unterstützung von außen?
In diesem Artikel gehe ich kurz auf die Unterschiede von Traurigkeit und Depression ein, und dann etwas ausführlicher auf den Weg der Achtsamkeit, der bei beidem (Traurigkeit und Depression) eine großartige Hilfe sein kann.
Traurigkeit ist eine menschliche Emotion, ausgelöst durch eine verlustvolle, schmerzhafte, oder herausfordernde Situation. Es ist eine übliche, gesunde und wichtige Emotion. Wir sind traurig wegen etwas Bestimmten. Ändert sich das, oder haben wir uns angepasst an den Verlust, verschwindet die Traurigkeit.
Bei Depression hingegen sprechen Psychologen von einem „abnormalen emotionalen Zustand“ – auch, wenn ihn schon Millionen Deutsche erlebt haben. Es ist ein Zustand der unser gesamtes Denken, unsere Wahrnehmung, unsere Gefühle und Verhaltensweisen beeinflusst, ernsthaft und dauerhaft. Freude? Nicht dran zu denken! Motivation? Abgestorben. Wir sind dann umfassend traurig wegen allem.
Dazu muss im Außen nichts Belastendes passiert sein. Sehr häufig tritt eine Depression sogar ohne klar erkennbare Auslöser auf.
„Es ist doch alles in Ordnung in Deinem Leben!“,
denken und sagen die Menschen um uns herum womöglich.
Eine klinische Depression wird dann diagnostiziert, wenn jemand über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen 4 oder mehr der Symptome auf der folgenden Liste erfährt:
Quelle: Williams/Teasdale: Der achtsame Weg durch die Depression, Seite 35
Die Liste zeigt auch, dass sich die Symptome im Bereich der Gefühle, der Gedanken, des Körpers und des Verhaltens auftreten können.
Das kann sich auch gegenseitig beeinflussen. Gefühle haben Einfluss auf Gedanken, Gedanken können wiederum Gefühle beeinflussen.
Die depressive Reaktionsweise hat einen Sinn oder eine Funktion. Sie soll uns vor Schlimmeren schützen. Es ist nicht so, dass mit einem depressiven Menschen „etwas nicht stimmt“. Mit einer Depression versucht der Organismus auf eine schwierige und länger anhaltende Lebenssituation zu reagieren.
Was anfangs jedoch vielleicht eine Anpassungsreaktion an eine schwierige Lebenssituation war, kann sich verselbständigen und wird dann zu einer automatischen, unbewussten Reaktionsweise.
In einer depressiven Phase entsteht offenbar im Gehirn eine Verbindung, die die depressive Reaktionsweise begünstigt. Das kann dazu führen, dass später eine ganz normale Traurigkeit negative Gedanken auslösen kann, die sich dann verselbstständigen und die depressive Reaktion verstärken.
Beispiel: eine erste depressive Reaktion wird ausgelöst durch den Verlust des Arbeitsplatzes und den gleichzeitigen Tod der Mutter. Die Betroffene macht sich Vorwürfe, sie habe die Mutter nicht gut genug begleitet. – Sie findet eine neue Arbeitsstelle. Dort kommt sie mit einer dominanten Kollegin nicht gut klar. Sie geht ungern zur Arbeit. Es folgt ein innerer und äußerer Rückzug. Die Reaktion ist ähnlich wie in der ersten depressiven Phase. Sie beginnt eine Psychotherapie und will durch die Praxis der Achtsamkeit lernen, zu erkennen, wann die depressive Reaktion sich wieder aufbaut wie sie sich selbst in dieser Situation steuern kann.
Die Auslöser einer ersten depressiven Phase sind also oft einschneidende Ereignisse, die viele Menschen irgendwann in ihrem Leben machen.
Es gibt einen Weg durch die Depression, der in der Forschung als „achtsamer Weg durch die Depression“ bezeichnet wird. Mark Williams und John Teasdale haben ein sehr interessantes Buch geschrieben mit dem Titel: „Der achtsame Weg durch die Depression“, erschienen im Arbor Verlag.
Die Autoren beschreiben einen Weg durch die Depression, der zunächst einmal nicht aus ihr heraus führt, sondern in sie hinein.
Kurz gesagt: man wird eingeladen und angeleitet, die Depression oder die Verstimmung nicht loswerden zu wollen, sondern sie erst einmal zu fühlen. Dabei kann sich zeigen, dass mit uns mehr in Ordnung ist als falsch. Auf diesem achtsamen Weg durch die Depression werden wir eingeladen, innezuhalten und die verzweifelten Lösungsversuche, die uns nicht geholfen haben, zu hinterfragen.
„Solange Sie atmen, ist mit Ihnen mehr richtig als falsch.“ Jon Kabat-Zinn
Achtsamkeit lehrt uns ganz praktisch, wie wir mit Wachheit, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit lernen können, depressive Verstimmungen, Ängste und Sorgen tief zu erfahren und zu erleben, ohne daran zu zerbrechen.
Auf dem Weg der Achtsamkeit erleben wir eine andere Perspektive auf unsere Probleme. Wir entwickeln eine Haltung der Hinwendung zu unseren Schwierigkeiten, eine Art Neugier und Mitgefühl uns selbst gegenüber. Diese Haltung brauchen wir, um besser zu verstehen, was gerade im Leben vor sich geht.
Dieses Verstehen findet aber nicht auf der gedanklichen Ebene statt. Es kommt nicht aus dem Kopf, sondern aus dem Herz. Wir finden auf der Ebene des Körpers, der Sinne, des Fühlens und Spürens Zugang zu einer Weisheit in uns, die vielleicht lange verschüttet war und die wir wieder neu entdecken können.
Wer in ein „schwarzes Loch“ gefallen ist, grübelt in aller Regel auch über Vergangenes nach und versucht, immer wieder die selben Probleme zu lösen.
Immer.
Wieder.
Und Wieder.
Diese Grübelschleife ist nicht fröhlich. Wir verlieren dabei den Bezug zum Hier und Jetzt während wir ständig über alte Dinge nachdenken. Was man während der Grübelei nicht mitbekommt:
Die Welt da draußen ist genau so schön, ob wir nun grübeln oder nicht.
Das Leben geht weiter während wir im Waschgang unserer eigenen Gedanken den Boden unter den Füßen verlieren.
In der Achtsamkeit stecken zwei weitere wichtige Qualitäten, die man in einer Depression erlernen kann:
(also das Loslassen von Gedanken und Gefühlen)
Wenn wir es schaffen im Hier und Jetzt all die Dinge zu umarmen, willkommen zu heißen, dann gibt es auch weniger Gründe gegen diese Gedanken zu kämpfen. In einer Depression wird man von Gedanken geflutet, die uns sagen, dass wir lustlos, unattraktiv, dumm sind und viele andere negative Eigenschaften haben. Wenn wir uns auf diese Gedanken einlassen, können wir entweder dagegen ankämpfen (und damit in ein Hamsterrad einsteigen) oder zustimmen (was auch nicht so schön ist). Eine dritte Möglichkeit ist den Kampf gar nicht erst anzunehmen und die Gedanken alle erst einmal in Empfang zu nehmen.
Wie einen unbeliebten Gast auf die Party zu bitten.
Ihm was zu trinken anbieten und ihn sonst nicht weiter zu beachten und sich um die anderen Gäste zu kümmern.
Und dann gibt es noch die zweite Eigenschaft der Achtsamkeit. Das „Nichtanhaften“. Also Gedanken und Gefühle kommen und wieder gehen zu lassen. Sich nicht mit ihnen zu identifizieren. Sondern die Gedanken wie auf einem Bach davonschwimmen zu lassen. (Keine Angst, sie kommen wieder ).
Ganz konkret kannst du dir vorstellen, wie du an einem Bach stehst und du deine Gedanken auf ein Blatt legst. Schau ihnen nach, wie sie davon schwimmen. Und dann der nächste Gedanke. So übst du das „Nichtanhaften“.
Bäume sind ein schönes Gleichnis, wenn es darum geht eine Idee dafür zu bekommen, wie man mit Achtsamkeit aus einer Depression herauskommen kann.
Der Baum steht da und wächst unaufhaltsam in die Richtung, aus der das Licht kommt. Er ist biegsam bei Sturm und steht fest verwurzelt in der Erde. Jede Jahreszeit ist für ihn willkommen. Er schützt sich bei Kälte und blüht auf im Frühling. Im Sommer tankt er Energie, um im Herbst sich eines Teils seiner Selbst zu entledigen. Er ist materiell gewordene Energie der Sonne.
Und so stehen die Bäume da wie festgewordene Energie. Egal ob groß, klein, gerade oder krumm gewachsen. Sie umgeben uns mit Energie und erinnern uns daran, die Energie zum Wachstum zu nutzen. Und es fühlt sich doch wunderbar von soviel Energie umgeben zu sein. Kosmischer Energie!
Also nutze, die Energie, die dir zu Verfügung steht, um flexibel dorthin zu wachsen, wohin es dir gerade möglich ist. Sei dort, wo du gerade bist. Es gibt in jeder Situation, sei sie auch noch so schwierig etwas zu lernen. Das bedeutet, etwas Neues auszuprobieren und seine Komfortzone zu verlassen. Denn dort beginnt das Wachstum.
Alles Gute auf deinem Weg.
Wir freuen uns von deinen Erfahrungen zu hören. Welche Erfahrungen hast du mit Achtsamkeit gemacht? Hat Sie dir geholfen? Schreib uns davon in den Kommentaren.
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