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Nasrudin wurde einmal gefragt: Was hat dir die Gnade gebracht? Er antwortete: „Wenn ich morgens erwache, fühle ich mich wie ein Mensch, der nicht sicher ist, ob er den Abend noch erleben wird.“
Sagt der Fragende: „Aber geht es nicht allen Menschen so?“
Sagte Nasrudin: „Sicher, aber nicht alle fühlen es“.
In den letzten Wochen habe ich viel über die unterschiedlichen Lebensphasen nachgedacht und muss sagen: Ich finde das Älterwerden spannend. Inzwischen kann ich auf mehrere klassische Lebensphasen zurückblicken und entdecke immer mehr Muster, die voller Potential stecken.
Heute möchte ich eine kleine Serie beginnen zum Thema
Im Prolog des Johannesevangelium lesen wir, dass es ein Licht gibt, das von Gott kommt und jeden erfüllen will, der dafür empfänglich ist. Es geht aus von jemandem, der einen Namen hat – Jesus Christus – und der jeden Menschen sucht. Wer ihn aufnimmt, erfährt eine neue Geburt, eine Geburt aus Gott, neben der jede irdische Abstammung an Bedeutung verliert. Und doch können beide Geburten und die damit verbundenen Lebensphasen nicht ganz voneinander getrennt werden.
Im folgenden möchte ich dir ein paar Gedanken und Fragen zum Nachdenken mitgeben:
Hast du dir auch schon einmal überlegt, was wohl anders geworden wäre, wenn du dieses oder jenes gemacht hättest? Statt zu studieren, ein Handwerk erlernt, statt aufs Land zu ziehen, in der Stadt zu bleiben, statt zu heiraten, ein Leben als Single zu führen – wo stünde ich dann heute?
Ob der eingeschlagene Weg tatsächlich der Richtige gewesen ist, ist nicht immer klar zu beantworten, aber wir können entdecken, was sich auf diesem Weg in uns entwickelt hat und woran wir gereift sind.
Läuft das Leben rund, haben wir den Eindruck, das Richtige zu tun und sorgen uns nicht. Wie aber meistern wir das Leben unter schwierigen Bedingungen? Wenn das Leben an uns zerrt oder zu entgleiten scheint? Wenn wir den Sinn in dieser Lebensphase gerade nicht verstehen und Ängste uns die Luft zum Atmen nehmen?
Krisen sind anstrengend und wir suchen sich nicht, aber sie enthalten ein enormes Potential. Ich empfinde sie immer stärker als ein sehr wichtiger Geburtsprozess für neue Lebensräume. Krisen fordern uns zum Wachstum auf, sie formen unser Profil, damit wir erkennbar werden. So wie ein Bildhauer vom Stein alles Überflüssige entfernt, so will Gott uns durch das Durchleben von Krisen zum Lebenskünstler herausfordern..
Der menschliche Lebenszyklus besteht aus aufeinander aufbauenden Entwicklungsstufen mit seinen individuellen Herausforderungen und Aufgaben. So dienen die Jahrsiebte von der Geburt bis zum 21. Lebensjahr überwiegend der körperlich-seelischen Entwicklung und die Jahrsiebte 28-35-42 der seelischen Nachreifung. Die Jahre 49 bis 63 sind dem Aufbruch zu neuen Ufern gewidmet und ab siebzig zeigt sich, ob die Lebensernte zufrieden ausfällt und was sich noch vollenden will, um dann einmal das Leben hier auf Erden ganz loslassen zu können.
In jeder Lebensstufe erleben wir Aufbrüche und Abbrüche, Abschied und Neubeginn. Innerhalb dieser Übergänge kommt es häufig zu kleineren oder auch größeren Lebens- und Sinnkrisen.
Inzwischen gibt es viele Forschungsergebnisse, die den Zusammenhang von den Früherfahrungen in den ersten Lebensjahren und der zweiten Lebenshälfte deutlich machen. Die Erfahrungen in den ersten Lebensjahren sind die prägendsten. Durch die symbiotische Bindung zur Mutter werden sehr tiefe Bindungsmuster erzeugt. Über die Eltern hinaus erweitert sich dann der Bezugsrahmen des Kindes durch Geschwister, Großeltern, Verwandte und Lehrer, die ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung des Kindes nehmen. Hier werden wichtige Grundlagen für das Zusammenleben mit anderen Menschen gelegt.
Jugendliche brauchen Gelegenheit zum Ausprobieren verschiedener Rollenmodelle. Sie müssen Grenzerfahrungen-und Überschreitungen am eigenen Leib erleben, damit sich der Wille und das Gewissen gesund herausbilden können.
In den darauf folgenden „Lehr-und Wanderjahren“ geht es erneut um Ausprobieren, um das was im zukünftigen Beruf und in Beziehungen klappen könnte. Die Identität will sich festigen und der junge Mensch sucht nach geeigneten Vorbildern und Idealen, die seinen Vorstellungen vom Leben gerecht werden. In diesen Jahren geht es weiterhin um da Suchen, um den richtigen Platz in der Welt und um die richtigen Lebensentscheidungen. Man spürt die ersten ernsteren Konsequenzen eigener Entscheidungen und landet hier und da früher als gedacht auf dem Boden der Realität. Die ersten Lebenskorrekturen werden gemacht.
Die zweite Lebenshälfte fordert dann nicht mehr eine bloße Korrektur, sondern es geht um eine grundlegende und tiefergreifende Bereitschaft zur Veränderung. Man hat als ganze Person erlebt, dass der „Tanz auf dem Parkett des Lebens“ nicht mehr so leichtfüßig geht wie zuvor. Es kommt zur Überprüfung von übernommenen Werten und Normen, die der ersten Lebenshälfte entstammen. Wenn hier nicht die nötigen Veränderungen vorgenommen werden, können festgefahrene Haltungen und rigide Vorstellungen in dieser Umbruchsphase häufig ins Burnout und Depressionen führen. Trennungen, Abbrüche, Scheidung und psychische Zusammenbrüche treten hier vermehrt auf. Als Frau werden die Wechseljahre erlebt, die auch auf der psychischen Ebenen eine große Herausforderung darstellen.
Die Jahre zwischen vierzig und sechzig können noch einmal zu Wander- und Lehrjahren werden, die nun innerlich durchlebt werden. Wenn wir hierfür ein Bewusstsein entwickeln, können sie uns zum nächsten Schritt unserer Lebensaufgabe führen und innere Wahrhaftigkeit und Klarheit fördern. Ähnlich wie in der Jugendzeit beginnt wieder eine Sturm-und Drangzeit, die Unruhe vor dem geahnten Ruhestand bringt.
Diese Lebensphase bedeutet intensive innere Arbeit, da wir unsere Kompetenzen und Energien, die wir für den Beruf eingesetzt haben, nun in andere Bahnen lenken müssen. Die Bedeutung unserer Beziehungen werden überprüft und stellen für die Partnerschaft eine große Herausforderung dar. Es braucht Geduld und Beharrlichkeit auf beiden Seiten, bis wir in der Beziehung auf einer neuen Ebene ja zueinander sagen können.
Wenn diese Phase gelingt, bringt sie neues Saatgut hervor, damit in den späten Jahren es immer mehr um innere Beheimatung, um Frieden, Güte und Versöhnung mit dem Leben gehen kann.
Bist du mit der bisherigen Ernte deines Lebens zufrieden? Die gute Nachricht ist: Du kannst jetzt immer noch etwas Neues säen. Heute sind viele um die fünfzig immer noch vital genug, um ihre Kraft auf die innere Reifung auszurichten. Wenn du dein Herz weich und formbar hältst, eine Haltung der Achtsamkeit und Genügsamkeit entwickelst und das Leben so annimmst, wie es ist, kann es immer weiter und größer werden, obwohl dein physischer Aktionsradius abnimmt.
„Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.“ (2. Kor.4,16)
Das Thema „Lebensphasen“ beleuchten wir aus einer ganz anderen Perspektive in unserem Buch
„Werde, was du bist: Christus in dir“.
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