persönliches Wachstum durch Meditation

Kindliches Urvertrauen

By Jan | Achtsamkeit

Nov 07
Kind

Wenn ein Mensch aufwächst, ist die grundlegendste Frage in seinem Leben: „Wer versorgt mich?“ Gibt es jemanden, der sich um mich kümmert?

Auch in unserem spirituellen Leben ist diese Frage in der Anfangsphase vorherrschend: Wird Gott sich um mich kümmern? Aber diese Frage wird sich im laufe der Zeit verändern, wenn wir zu Gott hinwachsen. Die Art und Weise wie ich frage: „Gott, kümmerst du dich um mich?“ wird sich verändern, vorausgesetzt, wir blieben nicht auf einer „Kind-Ebene“ stehen.

Jesus gebrauchte das Wort „Abba“ in der Anrede für Gott. „Abba“ ist ein Kosewort für „Vater“ und entspricht dem ersten Babbeln des kleinen Kindes. Wenn Jesus sagt, wir sollen Gott mit „Abba“ anreden, dann meint er, wir können ein so tiefes Urvertrauen in diesen Gott haben, wie ein Baby in seine Mutter oder seinen Vater hat.

Als unsere Kinder noch klein waren, war es für mich eine der größten Freuden, wenn sie nach einer längeren Dienstreise bei meiner Ankunft auf mich zu rannten und „Papa“ riefen. Das sind unvergessliche Momente. Wie befremdend wäre es, wenn ich gehört hätte: „Da kommt unser Vater, der Chef der Familie, der so gütig seinen Segen über uns ausgießt und uns Geld gibt, damit wir ins Kino gehen können.“

Urvertrauen und Selbstvertrauen

Vertrauen – was bedeutet das? Was ist das?

In dem Wort ‚Vertrauen‘ steckt das Wort ‚trauen‘ – sich etwas trauen. Sich etwas trauen, bedeutet automatisch, dass wir Angst überwinden müssen, dass wir Mut brauchen, dass wir mit etwas Ungewissem, Unbekanntem, Neuem konfrontiert sind.

Selbstvertrauen

Ein Mensch mit Selbstvertrauen erscheint uns in der Regel als jemand, der sich scheinbar vor nichts fürchtet, der souverän auftritt, der Erfolg hat, und wenn der Erfolg mal ausbleibt, steht er drüber, schaut nicht zurück und geht seinen Weg weiter. Solch ein Mensch ist oft anerkannt, genießt Bewunderung und die Chancen stehen gut, dass er einmal eine Führungsaufgabe im Beruf erlangt.

Doch solch ein Selbstvertrauen ist letztlich nur ein Vertrauen des Egos in sich selbst, aus Angst davor, vernichtet zu werden.

Es ist ein Ego-Vertrauen bzw. ein Vertrauen in gemachte und abgespeicherte Erfahrungen, auf die man Bezug nimmt und daraus Schlüsse zieht für die Zukunft.

Also ein Vertrauen in das Denken, ein Vertrauen auf den Verstand – auf die Festplatte in unserem Schädel.

Ur-Vertrauen

Nun stell dir ein Kind vor, dessen Verstand noch unausgereift ist. Stell dir folgende Szene vor: Ein Kind, läuft auf einer hohen Mauer direkt auf das Ende der Mauer zu. An diesem Ende steht sein Vater mit ausgebreiteten Armen, bereit das Kind aufzufangen. Das Kind läuft voller Vertrauen auf das Ende der Mauer, auf den Abgrund zu und lässt sich in die Arme des Vaters fallen. Das Kind denkt keine Sekunde über die Gefahr nach, die am Ende der Mauer lauern könnte. Es kommt ihm auch keinerlei Zweifel daran, dass der Vater es nicht auffangen würde. Es ist völlig frei von jedem Denken und voller Vertrauen in …

Tja, in was eigentlich?

Was ist Ur-Vertrauen?

Ist Urvertrauen Gottvertrauen?

Ist Urvertrauen Gottvertrauen – ohne dass es als solches definiert wird?

Ein Kind definiert von sich aus erst einmal nicht und nichts. Es nimmt und betrachtet die Dinge, wie sie sind, und handelt und bewegt sich ganz in seiner Natürlichkeit.

Jesus sagt uns ja: “Werdet wie die Kinder”

Was auch bedeutet: seid „ganz“ bei allem, was ihr tut.

In diesem Sinne können sich Kinder noch ganz an eine Sache „hingeben“.

Später wird Hingabe noch anders als im kindlichen Spiel erlebt. Hier geht es dann um ein frei werden von unserem Ego – bis hin zur radikalen Selbstentäußerung.

Jesus sagte am Kreuz:

„Vater ich lege meinen Geist in Deine Hände.“

Er begibt sich radikal, ganz und gar, in absolutem Vertrauen ganz in die Hände seines Vaters, den er Abba nannte.

Unser ganzes Leben ist letztlich ein Einüben in dieses tiefgründige Urvertrauen. Je stärker dieses Urvertrauen in mir gewachsen ist, desto freier bin ich von mir selbst, meinen Wünschen, meinen Zielen, meinen Bedürfnissen, meinen…

Spätestens in der Stunde unseres Todes, die ja unweigerlich eines Tages kommen wird, werden wir dann erkennen, wo wir stehen. Mit diesem Ur-vertrauen in Gott verlieren wir letztendlich auch die Angst vor dem Tod.

Hierzu folgendes Ereignis:

Ewald Nörr (ein christlicher Mystiker aus der Neuzeit) wurde immer wieder auf seine Erfahrungen in den Kellern der Gestapo angesprochen, die er machte, als er von der Gestapo abgeholt und verhört wurde. In dieser Zeit befand er sich „jenseits der Todeslinie“. Ewald Nörr berichtet darüber:

Als ich als Gestapo-Gefangener in der Todeszelle am Alexanderplatz war, stand ich ganz allein. Da flog mir ein kleiner Zettel durch das Kellerfenster hinein in meine Zelle, in der es kein Bett und keinen Stuhl, nichts gab, und das war ein abgerissener Zettel von einem katholischen Kirchenblatt. Ich hob ihn auf, küsste ihn und sagt: „So grüßt du mich also, Vater!“ Mir kam es nicht auf die Denomination, auf die Religion, auf das Bekenntnis an. Ich stand ja ganz allein, die drei roten Kreuze auf dem Aktenbogen, die bedeuteten: Jede Rückkehr unerwünscht! Und dann kam ich in Situationen, in denen es mir nicht möglich war, irgendeine religiöse Schrift zu lesen, das war einfach unmöglich. So musste ich aus dem leben, was innerlich vorhanden war. Das sieht dann ganz anders aus.

Er hat ganz praktisch erfahren, dass dann, wenn man aus seinem innersten Wesen heraus lebt, die Angst vor dem Tod vergeht. Als die Nazischergen ihm sagten, dass sie ihm augenblicklich eine Kugel durch den Kopf schießen könnten, entgegnete er ihnen: „Tun Sie das. Sie können mir nichts Schöneres tun, als mich vom Tod ins Leben zu befördern!“ Dies war der Gestapo etwas völlig Unverständliches, und sie taten ihm nichts.

Als er zum Verhör geführt wurde, öffnete er sein Hemd und rief mit nacktem Oberkörper dabei laut die folgenden Verse:

„Löwen, wachet wieder auf wie in allerersten Tagen, die in ihrem Martylauf ohne Zittern und ohn‘ Zagen gingen zum Todestribunal und von dort zum Hochzeitssaal!“

Und es wurde ihm kein Haar gekrümmt. Ewald Nörr wurde zweimal von der Gestapo abgeholt und in das Gestapo-Gefängnis am Alexanderplatz gebracht. Er kam unversehrt wieder nach Hause. Damals sagte er in prophetischer Voraussicht zu seinen Angehörigen: „Wenn meine Gegner eines Tages alle nicht mehr sein werden, dann werde ich in Berlin das Evangelium, die frohmachende Botschaft, verkündigen!“ Genauso ist es gekommen.

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About the Author

Jan von Wille, leitet zusammen mit seiner Frau Susanne die Akademie für Lebenskunst und Leaderschip. Themen wie Achtsamkeit, moderne Spiritualität und Unternehmertum

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